New Work: Neue Kultur der Zusammenarbeit
„Ändern sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen, müssen Organisationen reagieren. Herausfordernd ist hierbei, Hierarchien und Prozesse den Anforderungen anzupassen. Eine Möglichkeit, ist das Schaffen eigenständiger Einheiten, die sich mit den neuen Technologien, Geschäftsmodellen und Ideen beschäftigen.“
Dieses Zitat stammt aus dem in 2018 geführten Interview zum Buch.
Gesprächspartner ist Sven Franke, CO:X. Er begleitet Unternehmen auf dem Weg in eine neue Kultur der Zusammenarbeit. Für sein Bestreben nach einer neuen, besseren Arbeitswelt wurde er 2017 mit dem New Work Award von XING ausgezeichnet.
Im Interview beschrieb er die Hürden auf dem Weg zu einer neuen Kultur und Zusammenarbeit und gab Anregungen, wie Organisationen diesen begegnen können.
Ich möchte wissen, was sich seiner Meinung nach durch Corona, Stand April 2020, bereits geändert hat oder in Kürze ändern wird.
„Es ist nur eines mit Sicherheit zu sagen: Wir alle gestalten die Zukunft und die Grundlagen dafür werden jeden Tag gelegt.“
Unternehmenskultur ist aus Sicht von Sven Franke ein zentraler Baustein für neue Zusammenarbeit und ein “Abbild dessen, was im Unternehmen gerade passiert”.
In den allermeisten Unternehmen verändert sich durch Corona gezwungenermaßen die Zusammenarbeit. Welchen Einfluss wird dies auf die Unternehmenskultur in der “Post-Corona-Zeit” haben?
Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie es auf den ersten Blick scheint. Auf der einen Seite hängt das von den Erfahrungen ab, die jeder Einzelne aber auch die Organisation aktuell macht. Und die Stimmen, die sich hier zeigen sind nicht nur positiv. Viele erleben eine Überforderung mit den vielen verschiedenen Aufgaben: Job, Webkonferenzen, Kinderbetreuung, Homeschooling, Einkaufen für ältere Verwandte und nicht zu vergessen zunehmende Zukunftsängste. Verstärkt werden diese Themen noch durch das Gefühl der permanenten Erreichbarkeit.
Der zweite Aspekt der eine wichtige Rolle spielt, ist der Blick in die Zukünfte. Welche Zukunft gestalten wir gemeinsam. Hierzu hat das Zukunftsinstitut (https://www.zukunftsinstitut.de/zukunft-heute-corona/) vier Szenarien entwickelt. Sie heißen: Die totale Isolation, Systemcrash, Neo-Tribes und Adaption entwickelt. Dabei wurden die Spannungsfelder lokal vs global und gelingende Beziehungen vs nicht gelingende Beziehungen aufgespannt. Dass wir gerade alle vier Effekte erleben steht außer Frage. Doch wo werden wir uns als Gesellschaft hinentwickeln? Ehrlich gesagt: wir wissen es nicht. Es ist nur eines mit Sicherheit zu sagen, wir alle gestalten die Zukunft und die Grundlagen dafür werden jeden Tag gelegt.
Dennoch bin ich sehr optimistisch. Ich merke jetzt schon in meinen aktuellen Projekten, besonders zum Thema New Pay, dass eine Verschiebung der Werte hinzu mehr Wir-Denken sichtbar wird. Parallel dazu erleben wir mehr Zusammenhalt, mehr Rücksichtnahme, neue Diskussionen zum Thema systemrelevante Arbeit. Idealerweise tragen wir die positiven Effekte aus der Krise in die Zukunft und gehen gestärkt aus der Krise hervor. Hierzu empfehle ich Organisationen Lerntagebücher zu führen. Mit dem Ziel die Erfahrungen festzuhalten, in die Zukunft zu transferieren und die eigene Zukunft aktiv zu gestalten.
“Entscheidungsgeschwindigkeit, Innovationsfähigkeit, Individualisierung der Gesellschaft…und Digitalisierung” nannte Sven Franke vor zwei Jahren als Herausforderungen, die auch in fünf Jahren noch bestimmend sein würden.
Wie wird Corona die Herausforderungen und die Suche nach Lösungswegen verändern?
Wer meine Aussagen liest wird feststellen, so ganz verkehrt lag ich nicht. Gerade jetzt sehen wir wie wichtig die Entscheidungsgeschwindigkeit für das Überleben von Organisationen ist. Die Rahmenbedingungen verändern sich dabei täglich. Und wie sie sich verändern ist nahezu nicht plan- oder vorhersehbar. Somit ist die Entscheidungsgeschwindigkeit sicherlich noch wichtiger geworden.
Wolf Lotter schreibt in seinem Buch Innovation: “Innovation ist keine Glaubensfrage, sondern handfest, vielfach sogar Handwerk, das etwas Glück gebrauchen kann. Innovation ist das Kind einer Kultur der Neugier, verbunden mit Geduld und Durchsetzungsvermögen” und weiter schreibt er, “Das Neue kommt im Widerspruch zur “Normalität” zu Welt, und Widerspruch ist auch das Wesen der Innovation”. Wenn wir besonders den letzten Aspekt anschauen, haben wir gerade einen massiven Widerspruch zu unserer bisher bekannten Normalität. Wenn bewährte und bisher erfolgreiche Geschäftsmodelle plötzlich wegfallen, ist die gesamte Organisation aufgerufen Ideen einzubringen, zu hinterfragen und innovative Lösungen zu entwickeln. Auch in diesem Punkt haben es Unternehmen leichter, die das in der Vergangenheit schon etabliert haben.
In der aktuellen Krise erleben wir auch Individualisierung, keine Frage. Die Werteausprägung ist aber überlagert von einem zunehmenden Wir-Denken und von Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft. Somit entsteht ein starkes ICH in einem starken WIR, was immer weniger zum Widerspruch wird.
Am wenigsten muss ich wohl zum Thema Digitalisierung sagen. Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. Dazu ist die Krise der ideale Beschleuniger.
Große Organisationen müssten sich auf neue Regelwerke innerhalb von Teams und für ihre übergreifende Zusammenarbeit einstellen, so Sven Franke. Aus seiner Sicht reichten kleine Experimente, wie Labs und Garagen nicht aus.
Hat es denjenigen, die schon frühzeitig mit den “kleinen Experimenten” begonnen haben, in der aktuellen Situation geholfen? Wie lautet die Empfehlung für die übrigen?
Ich glaube die meisten Organisationen, die mit “kleinen Experimenten” gestartet sind, hatten einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Sie wussten schon was sie brauchen, welche Tools sinnvoll sind und wie man neue Formen der Zusammenarbeit gestaltet. Gleichzeitig darf dabei aber nicht unterschätzt werden was es heißt diese Erfahrung auf die gesamte Organisation anzuwenden.
Organisationen, die solche Erfahrungen noch nicht gemacht haben, haben die Herausforderung des schnellen Dazulernens. Es wird wichtig zu sein, einiges mutig auszuprobieren und in schnellen Interaktionsschleifen nachzubessern.
# Sven Franke
Organisations- und Prozessbegleiter
Sparringspartner für Führungskräfte und Betriebsräte
Autor und Keynote-Speaker
Anja Roters
Anja ist Client Advisor und Business Facilitator. Als Geschäftsführerin und passionierte Kundenbegeisterin war sie viele Jahre im Media- und Marketingumfeld tätig. Ab 2014 begleitete sie die Transition eines hierarchisch aufgestellten Unternehmens zu einer agilen Teamorganisation. Als Mentorin bringt sie die besten Erfahrungen aus beiden Welten ein.
Aktuell befasst sie sich u.a. mit neuem Arbeiten und alternativen, praxisnahen Umsetzungsmöglichkeiten