Wie passen New Work und Gesundheitswesen zusammen?

Durch die Corona-Krise gelangten vor allem die sogenannten systemrelevanten Berufsgruppen in den Fokus der Öffentlichkeit.

Von Balkonen wurde geklatscht, Politiker und Medien überschlugen sich mit Lobeshymnen und die vermeintlich schlechte Bezahlung von Pflegekräften und Co. wurde thematisiert.  

Ist mit diesem neuen Bewusstsein der Weg in eine neue Arbeitswelt bereitet?

Ist New Work im Gesundheitswesen angekommen?

Christina Hayek hat nach ihrer generalistischen Pflegeausbildung Sozialwirtschaft sowie Wirtschaftspsychologie studiert. Mit New Work hat sie sich unter anderem in wissenschaftlichen Untersuchungen zu ärztlicher Arbeitszufriedenheit und Erwartungshaltungen beschäftigt.

Daneben ist sie für die Rekrutierung und das Onboarding internationaler Fachkräfte im Gesundheitswesen zuständig.

Sie ist der Meinung, dass New Work innerhalb des Gesundheitswesens zu denken, durchaus eine Herausforderung ist.

Denn während in anderen Wirtschaftsbereichen vieles, was man zunächst mit dem Begriff verbindet, ohne Probleme möglich zu sein scheint, erfordert es in Kliniken ein hohes Maß an Kreativität und vor allem einen langen Atem. 

Sie sieht zunächst einmal Einschränkungen:

Das Klinikwesen in Deutschland ist seit einigen Jahren stark unterfinanziert. Kliniken müssen unter allen Umständen versuchen, Kosten einzusparen, um vor allem für dringend notwendige Baumaßnahmen und Instandhaltungsprojekte Rücklagen in Millionenhöhe zu bilden. Für gezielte Maßnahmen zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit fehlt oft das Geld und auch die Manpower.

Die IT-Landschaft vieler Kliniken ist stark veraltet. IT-Fachkräfte, die dieses Problem lösen könnten, sind für Krankenhäuser oft nur schwer zu rekrutieren. Teilweise ist es deshalb schwierig, Maßnahmen wie Homeoffice umzusetzen, denn ein Mediziner ohne digitale Patientenakte wird sich schwer tun, zu Hause Arztbriefe zu schreiben. Und vor allem – mit welcher Hardware?

Viele gesetzliche und tarifliche Regularien, die Innovationen entgegenwirken.

Mitarbeiter patientennaher Berufsgruppen sind oft innerhalb von Dienstplänen eingebunden, um so die Patientenversorgung zu gewährleisten. Flexible Arbeitszeiten im klassischen Sinne sind dadurch nur schwer zu realisieren.

Ein ausgeprägter Fachkräftemangel führt häufig zu unbesetzten Stellen und somit zu einer hohen Arbeitsbelastung in Medizin und Pflege.

Ist der Traum von New Work innerhalb des Gesundheitswesens schon vorbei, bevor er überhaupt begonnen hat?

Ich denke nicht. Man muss den Begriff einfach anders denken und vor allem der Zielgruppe und den Gegebenheiten anpassen. 

So ist es zunächst entscheidend zu verstehen, was Medizinern und Pflegekräften überhaupt wichtig ist und wie man deren Arbeitszufriedenheit gezielt steigern kann. Gerade diese Berufsgruppen geben in Befragungen beispielsweise immer wieder an, dass Bürokratie und Dokumentation den Arbeitsalltag stark belasten. Die meisten Mitarbeiter wollen ihre Zeit direkt am Patienten verbringen und zu einer Verbesserung seiner Lebensqualität beitragen. Aus diesem Grund haben sie den Beruf auch ursprünglich gewählt. Meistens erleben sie alle anderen Aufgaben als Störung ihres Arbeitsalltags. Dies trifft sicherlich auch für andere Berufsgruppen zu, ist jedoch in diesem stark reglementierten Umfeld eine besondere Herausforderung. 

Zudem belasten schlechte Prozesse auf den Stationen, aber auch in unterstützenden Bereichen den Alltag der Mitarbeiter und tragen zu deren Demotivation bei. 

Genau diese Probleme lassen sich vor allem durch eine gute Digitalisierungsstrategie, einen gut durchdachten Grade-and-Skill-Mix sowie Lean Management positiv beeinflussen. 

Häufiges Einspringen für kranke Kollegen und unregelmäßige Arbeitszeiten können durch ein durchdachtes Ausfallmanagement sowie rollierende Dienstpläne reduziert werden. 

Und Homeoffice?

Hier gilt es, zusammen mit den einzelnen Berufsgruppen Aufgaben zu identifizieren, die auch von zu Hause aus erledigt werden können. Hierzu gehört bspw. das Erstellen von Dienstplänen und Arztbriefen oder auch die Verschriftlichung der Pflegeplanung. 

Es gibt viele Möglichkeiten, um auch innerhalb des Krankenhaussektors New Work zu leben. Es ist Zeit, hierüber viel breiter zu diskutieren und in einen fachlichen Austausch einzusteigen!

Wie sieht es mit dem internationalen Recruiting von Ärzten und Pflegekräften in der Corona-Krise aus?

Derzeit ist es schwer bis unmöglich, internationale Fachkräfte nach Deutschland zu bekommen. Allerdings kann die Zeit gut genutzt werden, um Kontakt zu potentiellen Kandidaten via Social Media oder Stellenanzeigen im Heimatland aufzubauen. So können auch Sprachkenntnisse direkt vor Ort noch verbessert werden und die Migration nach Deutschland ohne Stress geplant werden. Insofern ist die Anwerbung internationale Talente nur geringfügig beeinflusst. 

Haben die unterschiedlichen Kulturen der Mitarbeiter Einfluss auf das Thema New Work?

Zum Teil schon. Denn gerade Mitarbeiter aus dem Ausland bemerken schnell, dass das Gesundheitssystem in Deutschland im Vergleich zu den jeweiligen Heimatländern sehr gut ist, allerdings die Digitalisierung noch kaum genutzt wird. Darauf weisen diese Mitarbeiter auch ihre Kollegen hin und ein Umdenken kann so positiv beeinflusst werden.

New Work passt zum Gesundheitswesen!

Hier gibt es noch viel Potenzial und die Möglichkeit, mit neuen Ideen und Mut vieles zu verändern!

# Christina Hayek

HR-Experte

Talententdeckerin

Vita

Nach ihrer generalistischen Pflegeausbildung hat Christina Hayek Sozialwirtschaft sowie Wirtschaftspsychologie studiert. Derzeit betreut Sie in einem großen Unternehmen der Gesundheitswirtschaft die Bereiche Recruiting, Personalmarketing und DiversityManagement.

Sie hat wissenschaftliche Untersuchungen zu den Themen ärztliche Arbeitszufriedenheit und Erwartungshaltungen sowie Onboarding internationaler Fachkräfte durchgeführt. In Ihrer Karriere rekrutierte und betreute Sie weit über 100 ausländische Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen.

Kernkompetenzen

 (International) Recruiting

 Personalmarketing

 Onboarding

 Projektmanagement im Gesundheitswesen

# Über die Autorin

Anja Roters

Anja Roters

Business Facilitator, Mentorin, Denkpartnerin

Anja ist Client Advisor und Business Facilitator. Als Geschäftsführerin und passionierte Kundenbegeisterin war sie viele Jahre im Media- und Marketingumfeld tätig. Ab 2014 begleitete sie die Transition eines hierarchisch aufgestellten Unternehmens zu einer agilen Teamorganisation. Als Mentorin bringt sie die besten Erfahrungen aus beiden Welten ein.

Aktuell befasst sie sich u.a. mit neuem Arbeiten und alternativen, praxisnahen Umsetzungsmöglichkeiten