Wissenskultur ist wichtiger denn je!


„Kollektives Wissen verhilft Organisationen zu besseren Services.“

Kollektives Wissen in Unternehmen verfügbar zu machen und dafür zu nutzen, schnellere, konsistente und vollständige Antworten auf Kundenanfragen zu geben, ist das Ziel der Methode “Knowledge Centered Service”. Mit ihr sind Organisationen, in denen Menschen wissensintensiv zusammenarbeiten in der Lage, besseren Service zu leisten. Kai Altenfelder beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Wissensmanagement und kennt die Hürden bei der Einführung der Methodik. Er vermittelt, wie Unternehmen wirksam zu dem Gelingen solcher Projekte beitragen können.

Natürlich gibt es derzeit nichts Wichtigeres, als das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben über die Pandemie hinweg zu retten.

Allerdings ist Wissensmanagement in dem Zusammenhang keineswegs abgedroschen, sondern in Zeiten von zunehmender Komplexität, Unsicherheit und Ungewissheit umso wichtiger.

Kai Altenfelder ist Inhaber der Unternehmensberatung pro accessio. Er beschäftigt sich u.a. mit dem Thema Wissensmanagement in Unternehmen.

Ist das Thema Wissensmanagement nicht inzwischen abgedroschen und haben wir in Zeiten von Corona nicht dringendere Themen?

Wir erleben jeden Tag, dass die Menschen Antworten auf dringende Fragen suchen: Wie sollen wir uns verhalten, was ist jetzt wichtig, wie können wir uns schützen, wie geht es weiter?

Die Antworten auf viele dieser Fragen lassen sich mit dem Wissen von Expert:innen geben. Nur haben wir nicht immer und überall den Zugang zu diesen Fachleuten. Dafür wäre es hilfreich, eine verlässliche Wissensdatenbank zu haben, in der die Antworten auf die vielen Fragen gespeichert wären. 

An der Stelle kommt intelligentes Wissensmanagement ins Spiel: Wir brauchen eine Vorgehensweise, mit der wir auf bestehendes Wissen zurückgreifen und es wiederverwenden können. Sollte es nötig sein, können wir dieses Wissen vor dem erneuten Gebrauch aktualisieren und ergänzen. Das machen wir nur mit den Wissensartikeln, nach denen wir wiederkehrend gefragt werden. Die Artikel, nach denen niemand erneut fragt, werden wir dementsprechend nicht überarbeiten. Das ist ökonomisch und erlaubt uns, uns auf die relevanten Fragen zu konzentrieren und diese schnell zu beantworten. Im Verbund der Expert:innen wird deren kollektives Wissen zusammengetragen und nach und nach vervollständigt. Wissensdokumentation entsteht so als Nebenprodukt der Problemlösungen.

Eine solche Vorgehensweise ist hochaktuell und gerade in Krisenzeiten gefragt. Beim Hackathon WirvsVirus haben wir als Mentor und Sparringspartner in mehreren Projekten diese Vorgehensweise vorgestellt und eingebracht. Beim Projekt “Bürgerhotline Deutschland” ist die Methode als zentrales Element der Projektidee eingeflossen.

Corona macht ortsunabhängiges Arbeiten nicht nur möglich, sondern notwendig.

Welche Folgen erwartest Du in der Post-Corona-Zeit?

Die Unternehmen werden jetzt durch die Umstände noch stärker darauf gestoßen, dass sie sich Gedanken um die Erfassung, Bereitstellung und Pflege des relevanten Wissens ihrer Organisation kümmern müssen. In der Zeit vor der Pandemie war es üblich und “normal”, schnell ins Büro nebenan zu gehen und den Kollegen oder die Kollegin als Wissensträger direkt zu fragen. Das war bisher schon nicht smart, jetzt wird es oft einfach unmöglich sein. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, die Antworten auf unsere Fragen nicht immer wieder neu einzuholen, sondern sofort zu dokumentieren. Das macht es notwendig, dafür die richtigen Werkzeuge zu haben.

Wissen zu dokumentieren muss einfach sein, sonst macht es niemand. Nach Wissen in dem Kontext meiner Frage suchen zu können und dabei rasch relevante Inhalte zu finden, wird wichtig sein. In dem Zusammenhang erwarte ich gerade jetzt eine Zunahme beim Einsatz von Algorithmen für das Machine Learning. Nicht, um den Menschen zu ersetzen, sondern um ihm den automatisierbaren Teil der Lösungsfindung zu erleichtern. Die Entscheidung, welche Fundstücke im Kontext der Frage Relevanz haben, wird nach wie vor ein Mensch treffen müssen.

Weiter beobachte ich derzeit ein ungeheures Interesse an neuen Ablauf- und Aufbauorganisationsformen im wissensintensiven Service. In den Unternehmen stellt man öfter fest, dass hergebrachte, lange akzeptierte Formen einer hierarchischen Organisation für komplexe Themen in der VUCA-Welt nicht mehr taugen. Wenn überwiegend Fragen nach neuen Themen gestellt werden, liegt es in der Natur der Sache, dass es dazu kein dokumentiertes Wissen geben kann. Statt zu wissen “wo es steht”, wird also wichtiger zu wissen “wer es wissen könnte”. Das Interesse an intelligenten Schwarmorganisationen, in denen man mithilfe von Kompetenzprofilen und Matching-Algorithmen Fragesteller mit potentielle Antwortgebern zusammenbringt, ist sehr groß. Das wird durch Corona noch verstärkt werden, weil wir durch das Arbeiten über verteilte Standorte hinweg gezwungen werden, unsere Netzwerke untereinander wirksam zu knüpfen.

Projektarbeit findet an getrennten Standorten statt, Verantwortung verteilt sich.

Ist das ein Risiko oder auch eine Chance?

Wenn wir den Projektbegriff ernst nehmen, geht es bei diesen Vorhaben immer darum, etwas Neues zu schaffen. Also eine Lösung für ein Problem finden, ein neues Produkt oder einen neuen Service zu kreieren. Dabei entsteht zwangsläufig neues Wissen und irgendjemand muss die Verantwortung für dessen Erfassung und Pflege übernehmen. In den alten, zentralistischen Unternehmenswelten gab es bislang oft die Trennung zwischen den Redaktionsteams und den Anwendern einer Wissensdatenbank. Diese Trennung hat dann manchmal dazu geführt, dass die Verantwortung für Inhalte nur bei der Redaktion lag. Die Anwender:innen haben dann genutzt, was da war und sich beschwert über das, was fehlte (oder sie nicht finden konnten).

Wenn wir in der neuen Methodenwelt davon ausgehen, dass Wissen als Nebenprodukt der Problemlösung gleich im Arbeitsfluss gleich mitdokumentiert wird, verschiebt sich die Verantwortung. Jetzt liegt es in der Hand der Anwender:innen, Wissen im jeweiligen Kontext zu erfassen. Es ist ihre Verantwortung zu dokumentieren und dabei eine Auffindbarkeit des Wissens zu gewährleisten. Da sie die Nutznießer der Wissensdatenbank sind, liegt es sogar in ihrem eigenen Interesse, das “ordentlich” zu machen. Verantwortung wird nicht bei ihnen abgeladen, sondern freiwillig und intrinsisch übernommen.

Kollektives Wissen wird in kollektiver Verantwortung gesammelt und gepflegt. Wenn sich Einzelne innerhalb eines sozialen Systems an diese Verantwortung nicht gebunden fühlen, wird die Gruppendynamik das erkennen und regeln. Insofern ist Arbeit an getrennten Orten und die damit geteilte Verantwortung für mich mehr Chance als Risiko. Sie bewirkt, dass kollektives Wissen als kollektiver Schatz begriffen wird, den es zu bewahren gilt. Wir werden verbesserte Kollaboration erleben und eine wirksamere Kommunikation, da bin ich zuversichtlich.

# Kai Altenfelder

ORGANISATIONSENTWICKLER

AUFBRECHER

(LATERALE) FÜHRUNG, SELBSTORGANISATION, LERNENDE ORGANISATION

Vita

Kai hat mehrere Führungspositionen in Serviceorganisationen der Softwarebranche inne gehabt, bevor er sich selbständig machte. Zuerst als freiberuflicher Berater, bevor er 2010 pro accessio gründete, eine Unternehmensberatung für Personal und Organisationsentwicklung.

Deren Beratungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung von Strategien und Geschäftsmodellen, der Modellierung und Adaption von Geschäftsprozessen und deren Umsetzung in der Organisation. Ihre Kunden aus dem Mittelstand kommen u.a. aus den Branchen IT, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, Transport & Logistik, Lebensmittel, erneuerbare Energien und Umwelttechnik.

Kai hat Ausbildungen und Zertifizierungen in Projekt, Prozess- und Produktmanagement sowie systemischer Organisationsentwicklung. Er ist NLPPractioner und der einzige KCS-Trainer im deutschsprachigen Raum.

Buchbeiträge

  • Lernende Service Organisationen

    Die Wirksamkeit von Veränderungsvorhaben in Unternehmen kann durch geeignete Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen gezielt verbessert werden. Häufig wird die Einführung neuer Methoden und Arbeitsweisen aber von Fachabteilungen in Eigenregie vorgenommen. Die Folgen: Viel zu oft werden die Schwerpunkte auf fachlich-technische Aspekte gelegt. Die Bedenken und Vorbehalte der Anwender gegenüber der Veränderung werden ignoriert. Und viele Vorhaben scheitern letztlich an diesem Widerstand. Eine HR-Abteilung, die solche Vorhaben konzeptionell und methodisch mitgestaltet, kann vielen Projekten zu mehr Wirksamkeit verhelfen.

Kernkompetenzen

 Geschäftsprozesse

 Projektmanagement

 Organisationsentwicklung

 Wissensmanagement im Service

Aktuelles & Downloads

# Über die Autorin

Anja Roters

Anja Roters

Business Facilitator, Mentorin, Denkpartnerin

Anja ist Client Advisor und Business Facilitator. Als Geschäftsführerin und passionierte Kundenbegeisterin war sie viele Jahre im Media- und Marketingumfeld tätig. Ab 2014 begleitete sie die Transition eines hierarchisch aufgestellten Unternehmens zu einer agilen Teamorganisation. Als Mentorin bringt sie die besten Erfahrungen aus beiden Welten ein.

Aktuell befasst sie sich u.a. mit neuem Arbeiten und alternativen, praxisnahen Umsetzungsmöglichkeiten.